AUSWAHL ARBEIT
Und es muss sie doch geben – die perfekte Entscheidung für unser Unternehmen. Unser perfekter Plan für das nächste Jahr. Wo wir doch sowieso schon viel kürzere Zyklen haben. Wieso verstehen mich die Entwickler nicht? Oh halt – es hat sich etwas geändert …
AUSGANGSSITUATION
So oder so ähnlich erlebe ich oft die Situation im Markt. So viel Zeit wird auf die Suche, Implementierung und Pflege des PERFEKTEN Systems verwendet, Bürokratie erzeugt und dabei nur so geringer Wert generiert. Schade.
Nicht nur die Systematik beschäftigt die Menschen. Nach wie vor leben viele in dem Glauben, wenn man diese nur ausreichend professionell macht, hält das auch. Man muss nur noch die passenden Beteiligten involvieren.
Ausserdem – der EINE Weg wird sich schon finden lassen, wo die Idee vorbei an den Wartenden hin zur Supermarktkasse findet. Beim nächstes Mal dann wieder ein anderer Pfad. Hauptsache, ich kann mich vorbei mogeln und schneller dran kommen.
Alternativ passt auch das möglichst laute Brüllen und/oder das Klopfen auf die breite Brust, damit den jeweiligen Ideen möglichst viel Nachdruck verliehen wird.
Ein paar Emotionen kann man doch in das Spiel einbringen. Soll ja keiner sagen, das wäre Ihnen egal. Oder?
Ach, Schnecke Leute. Natürlich ist schlampen nicht gefragt. Aber sonst? Echt, noch heute? Ist Ihre Zeit so wenig wert? Macht das noch Spass?
Recht beliebt ist auch das Mikromanagement. Natürlich wissen die Erfahrenen mehr und sind auch oft schneller in der Umsetzung. Aber wie sollen die Jungen erfahren werden?
Wie wollen sie neue Wege erschliessen, wenn sich jemand mal nicht die Birne anrennen darf? Wie soll sich jemand trauen, kreative Wege zu beschreiten, wenn das nicht gewünscht ist.
Denkbegleitung – Mentoring, das wäre hingegen gefragt.
UMFELD
In meinem Artikel „Zu viele Vorhaben zur gleichen Zeit?" listete ich im Abschnitt „Gängige heutige Bewertungsmethoden sind" eine ganze Reihe an Methoden zur Evaluierung der Reihenfolge auf. Gewichtete Auswahlverfahren basierend auf umfangreichen Matrizen kann man da noch getrost dazu zählen.
Modern sind Abbildungen von Vorhaben auf einem Canvas (was ich auch sehr wegen der damit beabsichtigen Interaktion der Beteiligten und hoffentlich erhöhtem Verständnis unterstütze. Nur ist es andererseits völlig gleichgültig, worauf ich die gewünschte Liste an Vorhaben abbilde, wenn ich nicht die Art und Weise der geeigneten Handhabe samt der dazu gehörenden Denke entsprechend auch anpasse).
Faktum 1: das ist und bleibt die Tatsache eines nicht machbaren perfekten Ansatzes (es ist immer eine Frage des Kontextes).
Faktum 2: die Welt ist dynamisch und wird immer dynamischer. Reduzierte Abstimmungen, reduzierte Zyklen, Raum für Anpassungen und ein Miteinander im Austausch und der Beobachtung der Gegebenheiten sind am Förderlichsten.
FOKUS
David Anderson, u.a. kreierten im Zuge der Entwicklung von Kanban den Ansatz der Verzögerungskosten. Damit kann man sich im Hier und Jetzt auf das Wesentliche besinnen.
Zusammen mit seinem Team entwickelte er einen darauf erweiterten Ansatz und brachte in einem einzigen Poster – die Triage Tabelle – die geballte Ladung an Wissen mit einer sehr konkreten Anleitung zu Papier.
Quelle: KMM-Plus, https://kmm.plus/
Diese schlüssige Logik komplexer Zusammenhänge auf so einem kleiner Raum darzustellen, ist einfach genial. Bestehende Ansätze bei der Betrachtung sind ebenso integriert wie die Serviceklassen basierend auf den Verzögerungskosten.
Gleichzeitig ist diese Tabelle auch eine grosse Warnung an alle. Erst David Anderson öffnete mir die Augen vollständig durch seine Nutzung von Mediokristan und Extremistan, wodurch ich endlich zum Schwarzen Schwan und der Antifragilität von Nassim Taleb schwam.
Ziel unserer Arbeit mit Kanban ist die möglichst gleichmässige, wiederholbare Vorhersagbakeit in einer möglichst engen Streuung.
Wie erreichen wir das? Sicher nicht durch stetes Umpriorisieren WÄHREND der Entwicklung. Durch Warten, durch Multitasking und all dem ähnlichen Zeugs. Damit füttern Sie nur den schwarzen Schwan UND fördern das Anheizen der negativen Spirale weiterer Umpriorisierung durch eingangs geschilderten Verhaltens, weil nicht und nicht oder spät die so dringenden (oft unausgereiften oder inadäquaten vorbereiteten) Arbeiten erledigt werden. Da muss man doch – so mit Nachdruck und überhaupt – und … schwupps die Streuung wird breiter.
Quelle: Kanban University, Training Kanban System Improvement
Der Weisheit Schluss ist somit, FIFO (first in, first out) und wieder FIFO und erst recht FIFO anzuwenden. Ja, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, tun Sie sich damit das Beste. FIFO ist für niemanden ausser den Vordrängern ein Nachteil. Ganz im Gegenteil – es ist ein Vorteil für ALLE. Trotzdem trauen sich oftmals die Betroffenen wegen der befürchteten Repressalien nicht, das konsequent anzuwenden.
Verrückt! Richtig verrückt. Nachweisbar verrückt.
Ausführlich liess ich mich dazu schon in den Geschwister-Artikeln dieses Kompendiums („Folge der Spur der Arbeit" und „Business Analyse") aus. Dort finden Sie auch viele konkrete Tipps für Ihren Alltag.
Ganz hart gesagt: „Je disziplinierter, je sturer, je rigider Sie ab dem Zeitpunkt der Zusage mit FIFO-Reihenfolgen sind, desto mehr Freiheit werden Sie gewinnen". Klingt paradox. Ist es aber nicht. Ausnahmen gelten nur für alltägliche Feinjustierungen zur Optimierung des Flusses. FIFO gilt jedoch der Fokus.
Das bedeutet, in der Regel Tickets mit Standard-Klasse zu benutzen. Und das im hohen Masse. Für die Handhabe von Klassen mit Fixem-Datum können Sie Punkt 5 des Poster zur Triage-Tabelle mit der Auswahl eines passenden Startdatums verwenden.
Dann kann die jeweilige Arbeit wie ein Standard-Ticket behandelt werden. Je weiter Sie natürlich über den Latest Responsible Moment hinausrutschen, desto mehr füttern Sie wahrscheinlich wieder Umpriorisierungen der laufenden Entwicklung.
Was ist nun mit der beschleunigten Arbeit? Vermeiden Sie diese in 11 von 10 Fällen (kein Tippfehler) und wenden das tatsächlich nur in absoluten Notsituationen an. Nur dann. Sonst sind Sie schon wieder beim Befahren der Abwärtsspirale.
Hervorragend zur Ausarbeitung eines Portfolios finde ich ebenso die Betrachtungen der Triage-Tabelle zum Punkt 1 „Wertschaffende Lebenszyklus-Funktionen" und Punkt 2 „Haltbarkeit". Da zahlt es sich durchaus aus, etwas Gehirnschmalz zu investieren.
Ergänzend zu meinen obigen Ausführungen rate ich je nach Ebene des Dienstes an, reservierte Kapazität für Weiterentwicklungen aller Art im Umfeld vorzusehen (die intangiblen/unbestimmten Verzögerungskosten). Je grober die Betrachtungsebene, desto systematischer und umfangreicher sollte dazu Raum gegeben werden. Dieser Raum entlastet. Dieser Raum garantiert mehr Zukunftsfähigkeit als einen das Alltagsgeschäft vermuten lässt (auch dazu gibt es einen zusätzlichen Artikel in diesem Kompendium namens „Adaptive Organisation").
Noch ein offenes Geheimnis: Lohn dieser Disziplin ist noch dazu grossteils schnellere Lieferung und damit viel mehr Ruhe bei der Auswahl. Also eine positive Verstärkung – eine komplette Umkehr.
AUSNIXMACHVIEL
David Anderson beeinflusste mich noch mit drei weiteren wesentlichen Geschenken (ja ich gebe es zu, früher auch so manchen wenig hilfreichem Getue aufgesessen zu sein).
Geschenk 1: Wer das blaue Buch über Kanban liest und/oder Teilnehmer bei einer Schulung zu Kanban ist, wird schon einmal mit der berühmten Fallstudie zur Anwendung bzw. Entstehungsgeschichte von Kanban bei Microsoft XIT-Aufgaben konfrontiert worden sein.
Der Lösungsansatz zeichnet immer wieder von Systemdenken und ist beispielhaft für viele Fragen der Praxis. Für die gegenständliche Thematik hebe ich besonders den Umgang mit den Produktmanagern heraus. Sich auf dynamische Nachbefüllung einzulassen und auf das nächste zu entwickelnde Produkt zu konzentrieren ist die beste Empfehlung für die Praxis. Lassen Sie all den Schmonzes rundherum weg.
Natürlich kann und soll eine Vorselektion getroffen werden. Natürlich kann und soll eine Produktspezifikation sauber und sinnvoll aufbereitet werden (hier nochmals der Verweis auf die Artike „Folge der Spur der Arbeit" und „Business Analyse" in diesem Kompendium).
Geschenk 2: De facto nichts Neues und trotzdem revolutionär. Vielfach priorisieren wir nicht, wir filtern. David Anderson hat so Recht.
Quelle: David Andersons School of Management, https://djaa.com/
Definieren Sie einen Korridor mit Minimal- und Maximalgrenze. Meinetwegen pro Segment der Aufgabe. Das ist die Filterung vorab. Dann entscheiden Sie über die sich darin tummelnden Ideen. Je dynamischer Sie damit sind, desto weniger werden es gleichzeitig sein. Je mehr Sie haben, desto mehr Vergleich benötigen Sie wieder usw., usw.
Geschenk 3: Abrundend – denken und schärfen Sie den Zweck. Wenn Sie den von Ihnen gepflegten Zweck anwenden, ist die Hauptfilterung erfolgt. Nutzen Sie die Ausführungen aus dem Buch „Fit for Purpose" – wie Unternehmen Kunden finden, zufriedenstellen & binden".
Quelle: Quelle: Mauvius Group Inc. übersetzt durch Viable Projects GmbH
Wenden Sie daraus die Anleitungen zu den Kriterien an. Werden Sie sich bewusst, was Sie messen, was Sie verfolgen und wie Sie das elegant in Ihre Struktur einbauen.
Auch dazu ist ein zusätzlicher Artikel erhältlich mit dem Titel „F4P & OBM & OKR" – eine Systemanalyse. Sie können davon auch nur den Abschnitt zu F4P herausknipsen.
QUERCHECK
In diesem Werk lasen Sie mehrfach von David Anderson, Kanban und auch von F4P. Das ist deswegen, weil Sie Gast in meiner alltägliche Welt sind – mein Schwerpunkt – und v.a. auch, weil dahinter erprobtes Systemdenken von Koryphäen steckt, deren Ansätze nachvollziehbar beweisbar sind und sich mit meinen Erfahrungen und meinem kritischen Blick decken.
Gelten diese Ausführungen nun auch für andere Welten?
Eine ganz klare Antwort dazu: diese gelten für jedes (soziale) System. Das ist nur eine Frage, wie Sie Ihre Perspektive auf das grosse Ganze richten. Absolut irrelevant sind Arbeitsmethoden und Vorlieben. Das ist Mechanik.
FAZIT
Diese Ausführungen sind ein grosses Puzzlestück in diesem Kompendium. Sie verbinden und provozieren. Schonungslos richtete ich den Blick auf die Stellhebel, die den Unterschied machen.
Die Auswahl der Arbeit kann mit weit weniger Kraft und Emotion weit mehr Effekt aufweisen. Die einzige Herausforderung: springen Sie kräftig über die Hürden alter Denk- und Handelsmuster. Testen Sie es. Aber ehrlich mit allem Drum und Dran für mindestens ein Quartal. Messen Sie die Ergebnisse. Vergleichen Sie. Justieren Sie nach.
Wenn Sie dann wieder in Ihre bekannten Vorgangsweisen zurückfallen, hätte es wahrscheinlich nur mehr Verstärkung gebraucht. Das ist das Kernthema einer anderen Serie.
Viel Freude beim Herumdrehen, Reduzieren, Streichen und Ersetzen!
Wenn Sie tieferes Interesse an den digitalen Postern in deutscher Sprache haben, lassen Sie mich das bitte gerne wissen.
Dieter Strasser, MSc, CMC, Geschäftsführer:
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Trainer, Coach, Facilitator bei Viable Projects GmbH:
▪ www.viableprojects.eu